Dienstag, 10. April 2012

Nichts zu fühlen im Frühling, wie amputiert

Heute möchte ich euch ein Gedicht vorstellen, dass meiner Meinung nach zu den Schönsten der modernen Lyrik zählt: "Wussten wir was den Reigen in Gang hält?" - Durs Grünbein.
Die Verzweiflung, ausgedrückt durch die gegensätzlichen Thematiken wie amputiert, verletzt und Glücklich, oder Himmelsschrei, geht nahtlos auf den Leser über und ich verbinde mit dem Gedicht das schaurige Gefühl dem Partner nicht nahe genug sein zu können. Die eigenen Sorgen, die eigenen Ängste werden in einem selbst zu Monstern herangezüchtet die verschlingen, in der Nähe zum Anderen sich aber doch nicht auflösen wollen. In seiner Haut ist jeder alleine.
Aber obgleich der Schmerz an der Seite eines Geliebten doch für sich zu sein unerträglich wird, so löst man sich doch nicht, aus der Scheu heraus nicht nur einsam, sondern auch verlassen zu sein.

Wussten wir, was den Reigen in Gang hält?
Dass Lieben einsamer macht,
Schien erwiesen. Jeder behielt ihn für sich,
Seinen Dorn, bis zur Unzeit
Das Blut die Verbände durchschlug. Selten
Blieb jemand unverletzt. Eher kroch
Ein Schmerz beim andern unter. Verlassen
Zu sein war das grösste Übel,
Nichts zu fühlen im Frühling, wie amputiert
Vor defekten Riesenrädern …
Wie uns der Wind in die Baumkronen hob,
Aus denen wir fallen sollten,
Glücklich, mit einem langen Himmelsschrei.

Was sagt euch das Gedicht?
Ein besonderes Merkmal der modernen Lyrik ist es ja,
dass jeder darin etwas eigenes findet, etwas eigenes sucht und erkennt.
Habt ihr andere Vorstellungen?

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